Die Unerwünschten

Gian Carlo Fusco, Die Unerwünschten. Als Amerika die Mafia nach Hause schickte, übersetzt von Monika Lustig, Berlin: Berenberg Verlag, 2014.

Drei Bilder zieren die deutsche Ausgabe[1]Gian Carlo Fusco, Die Unerwünschten. Als Amerika die Mafia nach Hause schickte, übersetzt von Monika Lustig, Berlin: Berenberg Verlag, 2014. von Gian Carlo Fuscos 1962 im Original erschienener Reportagensammlung über Die Unerwünschten — »Mafiosi« italienischer Herkunft, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu Hunderten aus den USA nach Italien abgeschoben wurden. Auf der Frontispizseite findet sich ein Porträt von »Lucky« Luciano im eleganten Hausmantel, während auf dem Cover eine anonyme Figur mit freiem Oberkörper vor den Faraglioni-Felsen im Golf von Neapel posiert und den Buchrücken ein Bild von Fusco selbst mit zwei Journalisten-Kollegen ziert: der Mafiaboss, der anonyme Mobster und der, der über sie schreibt. Während Lucianos Geschichte v.a. durch den Film von Francesco Rosi (1974) allseits bekannt, seine Zusammenarbeit mit CIA und US-Navy zur Verhinderung deutscher Sabotageaktionen in den amerikanischen Ostküstenhäfen und zur Vorbereitung der Landung auf Sizilien so heiß wie unabgeschlossen diskutiert ist, geht es Fusco hier vor allem um die anonymen ›kleineren Fische‹. Die meisten jener ca. 600 in den 40er Jahren nach Italien im wahrsten Wortsinne Verfrachteten waren auf den unteren Hierarchie-Stufen der amerikanischen Syndikate gestanden. Sie erwartete in ihren süditalienischen Dörfern nicht der triumphale Aufschwung eines Luciano. Ausgerechnet in ihrer ›Heimat‹ wurden die ehemals in die amerikanische Freiheit Emigrierten so zu unerwünschten Immigranten: Mittellos, beziehungslos, unterlagen sie der Residenzpflicht und fanden nur selten Arbeit. Hier wird klar, dass weder »die Mafia« abgeschoben wurde noch jemand »nach Hause« geschickt, wie der etwas reißerische Untertitel der deutschen Ausgabe verkündet.

In der ersten Reportage beschreibt Fusco seine Begegnung mit Nicola Valente, der in den 30ern in New York als Lily Valentino »eine gewisse Anzahl von Jobs als Auftragskiller«[2]Ebd., S. 19. übernommen hatte, nach seiner Festnahme und einer längeren Haftstrafe abgeschoben wurde und sich in Palermo des Savoir-faire seines Vaters erinnerte, der in Brooklyn versucht hatte, das berühmte sizilianische Maiglöckchen-Eis zu etablieren. Fusco spürt den gealterten Gangster 1958 in seinem Eisladen auf und entlockt ihm die unvergessliche Geschichte, wie sein Vater auf seine Weigerung, Schutzgeld zu zahlen, gezwungen worden war, zwölf Pfund seines eigenen Eises zu essen — was der Sohn mit dem Messer rächte, womit seine Mobster-Karriere ihren Anfang nahm.

Eine weitere Begegnung ist die mit Frank Frigenti, der in den 50ern nicht nur Fusco gegen Zahlung mehrerer tausend Lira einen Koffer voller brisanter Enthüllungsdokumente versprach, den niemand jemals zu Gesicht bekam. Bekannt geworden war Frigenti durch den Protestmarsch ca. hundert ›Unerwünschter‹ im Frühjahr 1951 in Rom, bei dem er sich zu deren Wortführer aufgeschwungen hatte und um politische Aufmerksamkeit und Statusanerkennung für seinesgleichen kämpfte — ein Aufbegehren, das folgenlos verhallte. Die letzte der neun Reportagen bildet eine Ausnahme, beschreibt sie doch die Verwicklungen des Schriftstellers Ezio Taddei. Dieser war Ende der 30er Jahre vor dem Faschismus in die USA geflohen, als Anarchist jedoch nach Kriegsende gemeinsam mit einer Gruppe ›Unerwünschter‹ ausgewiesen worden. Fusco begegnete ihm 1945 in Livorno und wird 1946 überraschend von einem amerikanischen Major vorgeladen, der ihn bittet, Taddei vor einigen ›Heimkehrenden‹ zu warnen, die ihm seine Rolle bei Auseinandersetzungen zwischen Pro- und Antifaschisten und der Mafia 1943 in New York (v.a. ging es um die Ermordung Carlo Trescas) nachtragen könnten. So führt auch diese Episode zurück zum ureigenen Thema des Buches.

Erschienen in: Zibaldone 59 (Frühjahr 2015), S. 143-145.

References
1Gian Carlo Fusco, Die Unerwünschten. Als Amerika die Mafia nach Hause schickte, übersetzt von Monika Lustig, Berlin: Berenberg Verlag, 2014.
2Ebd., S. 19.