Dostojewskis Tränen

»Hegel kennt den Abgrund der Hölle nicht. Einerseits wurde er, mit Dostojewski verglichen, vom Schicksal durchaus verwöhnt. Andererseits wollte er sie grundsätzlich nicht zur Kenntnis nehmen. Die Geschichtsbetrachtung mit ihrer Säkularisierung im Namen der Vernunft raubt dem Menschen jegliche Transzendenz. Sie nimmt ihm nicht nur Gott, sondern auch Satan — die Hölle ebenso wie das Paradis.« (S. 44)

László F. Földényi, Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus, Berlin: Matthes & Seitz 2008, S. 44.

Der Titel von Földényis Hegel-Broschüre, Buch wäre ein zu großes Wort für die wenigen Seiten, sagt beinahe alles: Dostojewski lernt in Sibirien die Hölle kennen, die Hegel nicht anerkennen kann — und weil er über diesen erzwungenen Umweg über die Literatur zurück nach Europa kommt, bringt Hegel-Lektüre ihn nur noch zum Weinen — oder zum Lachen? Das Büchlein wird von den dicken Hegel-Büchern wie dem von Klaus Vieweg mühelos erdrückt; und doch macht es so viel mehr Lust, einmal wieder zu den verstaubten Suhrkamp-Hegel-Bänden zu greifen, nur: nicht ohne sich vorher mit Dostojewski immunisiert zu haben.