Das Drama des Begabten Kindes

»Die Verachtung für diesen Kleineren, Schwächeren ist so der beste Schutz gegen den Durchbruch der eigenen Gefühle der Ohnmacht, sie ist Ausdruck der abgespaltenen Schwäche. Der Starke, der um seine Ohnmacht weiß, weil er sie erlebt hat, braucht nicht mit Verachtung Stärke zu demonstrieren.«

Alice Miller, Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1980, S. 113.

Zuletzt fiel der Name Miller 2013, als ihr Sohn eine Biografie über sie veröffentlichte (Martin Miller: Das wahre »Drama des begabten Kindes«. Die Tragödie Alice Millers), aus der noch einmal deutlich wurde, wie sehr Millers Erkenntnisse in den Erfahrungen ihrer eigenen Familie wurzelten, wie sehr sie aber auch daran gescheitert war, aus dem Erkannten unmittelbar Schlüsse zu ziehen — vor allem im Umgang mit ihren Kindern. Nicht erst vor dem Hintergrund der Corona-Isolation für Eltern und Kinder wäre es wieder an der Zeit, sich mit ihrem Begriff der problematischen ›Begabung‹ von Kindern zu beschäftigen, die sich nur allzu gut den Wünschen und Anforderungen ihrer Eltern anpassen können.